Die Lektion der souveränen Didaktik

Die Lektion der souveränen Didaktik

Hochinteressante Pädagogik-Besprechung mit dem überzeugenden a. Sekundarlehrer Werner Grond

 

Werner Grond
Lehrer an der Sekundarschule in Neuheim und leidenschaftlicher Jäger.
Pensioniert seit 2005

Werner Grond war mein Lehrer in der 3. Sekundarklasse in Neuheim (ZG).
Sobald Werner das Schulzimmer betrat, war die Aufmerksamkeit hoch und ging unmittelbar zu ihm über und alle wussten, jetzt kommt ein fördernder Lernschub für jeden Einzelnen auf uns zu! Mit anderen Worten: Es gab zwar auch in diesem Schulzimmer Fensterplätze, doch beim Unterricht von Werner verschwanden diese auf imaginäre Art und Weise.
Inhaltlich war es stringent der vorgegebene Schulstoff, der uns Werner vermittelte, doch fast magisch nebenbei, vermittelte uns Werner v.a. auch die grossen Vorteile, die aus einer guten Theorie, eingeübtes Wissen und Logik erwachsen können und dass diese eher nüchternen Elemente auch im Lebensalltag ganz schön praktisch sein können.
Ich hatte Klassen erlebt, wo die Führung der Lehrperson temporär an die Klasse überging was zu Unruhe und eigenartigen psychologischen Kammerspielen führte und vom eigentlichen Ziel und Thema ablenkte. Solch ein Szenario war bei Werner schlichtweg unmöglich und gab letztendlich dem ganzen Lernprozess ein wichtiges Fundament für den Lernerfolg.
Jahrzehnte später wurde ich erstaunlicherweise selbst Dozent und durfte für meine eigene Lehrtätigkeit von Werners Lektion der souveränen Didaktik profitieren.

Es freut mich nun ausserordentlich, dass ich mich mit Werner dieses Interview führen kann.


Abb. 1: Welches Lehrmittel lehrt uns mehr?
Im Bildungs-Talk mit meinem ehemaligen TOP-Lehrer Werner Grond. Restaurant Ochsen in Menzingen (ZG)
Foto: Marco Sigrist
Buchtitel/Lehrmittel von Werner Grond:
DUDEN. Die deutsche Rechtschreibung. Das umfassende Standardwerk auf der Grundlage der aktuellen amtlichen Regeln.
Cornelsen Verlag. EAN: 9783411040186. ISBN: 978-3-411-04018-6. 
Buchtitel/Lehrmittel von Lars Rominger:
a) Wolfgang Kaiser. Kunststoffchemie für Ingenieure. Carl Hanser Verlag. EAN: 9783446477988. ISBN: 978-3-446-47798-8.
b) Biederbick, Karlheinz. Kunststoffe. 4. neubarb. u. erw. Aufl. Würzburg Vogel 1977. (Kamprath-Reihe kurz und bündig) ISBN 3-8023-0010-6.

Das Lehrmittel „Kunststoff-Kompendium“ hat es leider nicht aufs Bild geschafft:

Abb. 2: Adolf Franck, Karlheinz Biederbick: Kunststoff-Kompendium. Vogel-Fachbuch. 3. , überarb. Aufl. 1990. ISBN 3-8023-0135-8.
Wie unschwer zu erkennen ist, wurde mit diesem Buch intensiv gearbeitet.

 

Interview

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Lars Rominger:
Gelingt es Dir, Deinen Werdegang in drei Sätzen zu beschreiben?


Werner Grond:
Nach der Matura Typus A 1963 begann ich an den Universitäten Zürich und Fribourg das Studium der Naturwissenschaften, das ich immer wieder unterbrach, um eine militärische Karriere zu absolvieren. Studium und Militär waren für mich eine ideale Kombination, um Wissen und Führung zu erlernen. 1968 schloss ich das Studium mit dem Sekundarlehrepatent ab, unterrichtete während acht Jahren an der Internatsschule Walterswil in Baar und anschliessend an der Sekundarschule Neuheim bis zu meiner Pensionierung 2005, ab 1987 führte ich die Schule als Rektor.

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Lars Rominger:
Hast Du Dich heute schon um den (Bildungs-) Zustand der Welt gesorgt?

Werner Grond:
Das mache ich sehr oft. Verschiedene Medien halten mich über Schulpolitik und den Hauptverantwortlichen für eine gute Schule, der Lehrerschaft, à jour. Zudem wohne ich fast neben unserer Dorfschule, höre die Schulglocke und das muntere Geplauder der Kinder, spreche ab und zu mit Kolleginnen und Kollegen von denen viele die sich jagenden Änderungen und Veränderungen im Schulwesen nicht mehr verstehen. Mit Unverständnis beobachte ich, wie den Kindern durch die Eltern ein wichtiger Teil des Schullebens-der Schulweg-gestohlen wird, indem sie «wohlbehütet» im Auto zur Schule gebracht werden. Gerne erinnere ich mich dann an die Streitigkeiten, die Erlebnisse und das Miteinander meines eigenen Schulweges zurück. Wenn es sich ergibt, spreche ich die Kinder gerne an, meine zwei Hunde an der Leine sind gute Brückenbauer und «wecke» sie auf, indem ich ihnen laut und deutlich «Grüezi» sage, aktuell zwar eher »Hallo». Die Dorfgemeinschaft, das sich gegenseitige Interessieren ist leider fast inexistent geworden.

 


Abb. 3: Schulhaus Neuheim (ZG).
Damals fand der Unterricht für die 3. Sekundarklasse noch in diesem Schulgebäude statt.
Bildquelle: https://www.schule-neuheim.ch

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Lars Rominger:
Wie wichtig ist es, dass eine Lehrperson die Führung im Klassenzimmer innehat?


Werner Grond:
Für mich ist Führung gleich zu gewichten wie Wissen und Bildung. Wer nicht führt, wird geführt und das war zu meiner aktiven Lehrzeit ein Grund für überforderte Lehrpersonen, modern nennt man das «burn out», für Pädagoginnen und Pädagogen, die ihren Traumberuf aufgaben, die verzweifelt nach Unterstützung suchten, und schlussendlich einer anderen Tätigkeit nachgingen. Schade für all ihr Wissen und ihre Begeisterung für die Ausbildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen. Ein wesentlicher Grund für diesen Missstand ist für mich die Ausbildung der Lehrpersonen. Wer früher ins Lehrerinnen-/lehrer-Seminar eintreten wollte, wurde sorgfältig auf die entsprechenden Fähigkeiten geprüft, das fehlt meiner Meinung nach mit dem Ausbildungsgang über die pädagogischen Hochschulen. Die Lehrpraxis während des Studiums ist zu kurz, das Führen einer Klasse über einige Wochen fehlt, führen muss erlebt und begleitet werden. Für mich sind Pädagoginnen und Pädagogen heute immer noch «Volksbildhauer», die mit feiner Hand und viel Einfühlvermögen, Verstand und Autorität die Kinder und Jugendlichen leiten und formen.

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Lars Rominger
Welches Schulfach sollte eingeführt werden?

Werner Grond:
Das heutige Angebot ist so vielfältig und zeitintensiv, dass die wesentlichen Kulturpraxen wie lesen, schreiben und rechnen nicht mehr das notwendige Gewicht erhalten können. Man muss nicht alles wissen und kennen aber was wichtig ist, muss Vorrang haben. Abnehmer der Schülerinnen und Schüler für eine Berufslehre sprechen da eine deutliche Sprache. Mir wichtig wäre ein Fach, das Arbeitsplanung, konzentriere Alleinarbeit und vor allem stillsitzen beinhalten würde vermittelt von einer Lehrperson, die nicht wie ein Springer Einzelfächer unterrichtet, sondern die Klassenlehrperson mit dem grössten Unterrichtspensum, eine eigentliche Bezugsperson für die zu Unterrichtenden. Fachlehrpersonen sind in Einzelfällen gegeben (Turnen, handwerkliche Gestalten usw.), die Klasse muss von einer Allrounderin oder einem Allrounder geführt werden. Nur so kann der hektische Schulalltag zu dem werden, was er sein sollte, ein Ort an dem konzentriert, still und wohlwollend gebildet wird.

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„Für mich sind Pädagoginnen und Pädagogen heute immer noch «Volksbildhauer», die mit feiner Hand und viel Einfühlvermögen, Verstand und Autorität die Kinder und Jugendlichen leiten und formen.“
(Werner Grond, a. Sekundarlehrer)

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Lars Rominger
Hat ein Pensionierter das Recht, das heutige Schulsystem zu hinterfragen oder gar zu kritisieren?


Werner Grond
Ich meine, Ja! Dies soll aber nicht belehrend daherkommen und auch nicht vergleichend, nur feststellend. Einen kleinen Einfluss hat man ja bis zum Lebensende durch das Stimm- und Wahlrecht.

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Lars Rominger:
Welches Buch liest Du momentan?

Werner Grond:
Im Moment aktuelle Jagdliteratur, in einem stillen Moment «Rominten» von Walter Frevert, Erinnerungen an das versunkene Jagdrevier in Ostpreussen.


Abb. 4: Buch: Rominten. Erinnerungen an das versunkene Jagdrevier in Ostpreussen – ein Klassiker der Jagdliteratur.
Autor: Walter Frevert
Erscheinungsdatum: 26.11.2020
Verlag: Franckh-Kosmos
Seitenzahl: 416
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-440-16925-4
Beschreibung: Das ostpreussische Rominten ist in der Jägerschaft bis heute unvergessen, sein Rotwildbestand, der weltweit seinesgleichen suchte, legendär. Der letzte Oberforstmeister der Rominter Heide setzt mit seinen Schilderungen Wildtieren, Landschaft und den mit ihnen verbundenen Menschen ein Denkmal. Die persönlichen Erinnerungen des Autors sowie viele historische Dokumente und Fotos lassen ein versunkenes Jagdparadies wieder lebendig werden.

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Lars Rominger:
Welches Zitat, Botschaft oder Lebensmotto möchtest Du uns auf den Weg geben?

Werner Grond:
An alle Pädagoginnen und Pädagogen: Lebt euren Traumberuf!

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Herzlichen Dank für das höchst lehrreiche Gespräch!

Lars Rominger im Dezember 2023


Abb. 5: Making of – Bild mit dem überzeugenden Werner Grond, Herr der souveränen Didaktik.
Am Stammtisch Restaurant Ochsen, Menzingen (ZG).

 

Hier geht es zu weiteren „Lars war’s – Talks“ (Link) 

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