13 Aug Herr der Finanzen! Hochinteressante Besprechung mit Finanzprofi Edgar Christen, Partner Ernst & Young
Edgar Christen
Partner Ernst & Young
Branche: Wirtschaftsprüfung
Ernst & Young ist eine der vier umsatzstärksten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt und zählt zu den sogenannten Big Four*.
*Deloitte, EY (Ernst & Young), KPMG und PricewaterhouseCoopers (PwC).
Edgar Christen ist Leiter des Swiss GAAP FER Desk von Ernst & Young. In dieser Funktion ist er zuständig für die Qualitätskontrolle sämtlicher Prüfungsberichte zu Jahres- und Konzernrechnungen, die von Ernst & Young nach Swiss GAAP FER erstellt werden. Als Partner in der Wirtschaftsprüfung ist er zudem verantwortlich für eine breite Palette von Revisionsmandaten, angefangen von mittelgrossen, familiengeführten Unternehmen bis hin zu börsenkotierten global tätigen Konzernen. Bis vor kurzem war er zudem Sitzleiter des Büros in Zug und als Talent Partner für sämtliche HR-Aspekte, wie die Rekrutierung, Aus- und Weiterbildung, Einsatzplanung, Beförderung, Entschädigung und Karriereplanung von mehr als 600 Mitarbeitenden der Service Line Assurance von Ernst & Young Schweiz zuständig. Ferner vertritt er die Interessen von Ernst & Young im Branchenverband, EXPERTsuisse sowie in der Swiss GAAP FER Fachkommission dem Standardsetter für die Rechnungslegung von mittelgrossen privat gehaltenen oder börsenkotierten Unternehmensgruppen. Edgar Christen ist eidgenössisch diplomierter Wirtschaftsprüfer und Betriebsökonom FH.
Edgar und ich kennen uns schon seit mehr als 6 Jahren. Seine hohe Affinität und Professionalität zum Finanz- und Rechnungswesen fielen mir erstmalig auf, als er an einer Generalversammlung souverän die Jahresrechnung mit Vorjahresvergleich sowie das Budget des nächsten Jahres präsentierte und erläuterte. Für Edgar schien dies ein Sonntags-Spaziergang zu sein. Auch später an gemeinsamen Diskussionen zu erweiterten Themenkreisen wie Wirtschaft, Steuern, Transaktionen, Rechnungslegung oder finanzielle Berichterstattung sprudelte das Wissen nur so aus ihm heraus, so dass der Titel «Herr der Finanzen» absolut zu Edgar passt.
Es freut mich nun sehr, dass ich mit dem ausgewiesenen Kenner der Finanzwelt ein Interview führen kann.
Abb. 1: Wer liest die teuren Wirtschafts- und Rechnungslegungsbücher?
Der sympathische Finanzprofi Edgar Christen im Gespräch mit Lars Rominger im Restaurant Vienna Lounge in Unterägeri, Kanton Zug.
Buchtitel 1: Swiss GAAP FER, Erläuterungen, Illustrationen und Beispiele, Hrsg. Conrad Meyer, ISBN 978-3-286-34182-1, Verlag SKV
Buchtitel 2: Managementorientierte Betriebswirtschaftslehre. Hrsg. Jean-Paul Thommen, ISBN 978-3-03909-118-8, Verlag Versus
Nicht auf dem Bild:
Buchtitel 3: Die Essays von Warren Buffett. Die wichtigsten Lektionen für Investoren und Unternehmer, Hrsg. Warren Buffett, Lawrence A. Cunningham, Verlag Finanzbuch Verlag, ISBN: 978-3-95972-003-8
Interview
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Lars Rominger:
Hast Du Dich heute schon um den Finanz-Zustand der Welt gesorgt?
Edgar Christen:
Natürlich sorge ich mich täglich um den Finanz-Zustand der schweizerischen Wirtschaft und verschiedener mir bekannter Unternehmungen. Mich täglich um den Finanz-Zustand der Welt zu kümmern, würde wohl meine zeitlichen Verfügbarkeiten übersteigen.
Als Wirtschaftsprüfer interessieren mich die Wirtschaftsnachrichten aus den europäischen und nordamerikanischen Regionen am meisten. Dabei sind allgegenwärtige Themen, wie Zinsen, Inflation, Wirtschaftswachstum und natürlich der Mangel an Fachkräften oder an Arbeitskräften generell im Fokus. Selbstverständlich beobachte ich auch die Auswirkungen der politischen und geopolitischen Spannungen in Europa und in den östlichen Staaten, die wir derzeit erleben.
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Abb. 2: EY Zürich. Ernst & Young ist eine der vier umsatzstärksten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt und zählt zu den sogenannten Big Four*.
*Deloitte, EY (Ernst & Young), KPMG und PricewaterhouseCoopers (PwC).
Bild: zVg.
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Lars Rominger:
Wie nützlich waren Deine vielen Abschlüsse wie z.B. eidg. dipl. Wirtschaftsprüfer, Betriebsökonom FH für Deine berufliche Laufbahn?
(Als Dozent interessiert mich dies natürlich ganz besonders.)
Edgar Christen:
Danke für die Blumen, aber so viele Abschlüsse waren es nun auch wieder nicht (lacht). Nach einer kaufmännischen Grundausbildung habe ich eine Weiterbildung in Betriebsökonomie an der Fachhochschule Luzern absolviert und danach die Ausbildung zum dipl. Wirtschaftsprüfer in Angriff genommen. In der Branche der Wirtschaftsprüfung ist dieser Abschluss quasi ein «must», vergleichbar mit dem Führerschein eines Taxichauffeurs. Ohne diesen Ausweis wirst du von der eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde nicht als leitender Revisor anerkannt und kannst keine Revisionsberichte als sogenannt «zugelassener Revisionsexperte» unterzeichnen. Insofern war dieser Abschluss nicht nur nützlich, sondern entscheidend für meine berufliche Laufbahn.
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Abb. 3: Zitat aus dem Interview. Bild zVg.
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Lars Rominger
Ich nehme Dich als extrovertiert, unkompliziert und kommunikativ wahr. Dies sind, finde ich, nicht unbedingt die typischen Charaktermerkmale, die einem in den Sinn kommen, wenn man an einen klassischen Buchhalter denkt. Verfügst Du trotzdem auch über typische Buchhalter-Eigenschaften wie sie von Walter Roderer in seiner Paraderolle als typischer Schweizer «Buchhalter Nötzli*» gespielt wurden?
*Eine Schweizer Kino-Komödie aus dem Jahr 1989. Eine Verwechslung befördert den frustrierten Buchhalter Nötzli, Schweizer im Berliner Exil, in die Chefetage. Die Höhenluft darf er nicht lange schnuppern, und unglücklich verliebt ist er auch noch in Ursela Monn. Vgl. bitte auch Abb. 4.
Edgar Christen:
Nicht wirklich! Denn die Funktion des Wirtschaftsprüfers unterscheidet sich doch grundlegend von jener eines Buchhalters.
Die Hauptaufgabe eines Buchhalters besteht darin, die finanziellen Transaktionen eines Unternehmens, also deren Einkäufe, Verkäufe, Löhne, Investitionen, Finanzierungen usw. präzise – das heisst auf den Franken und Rappen genau – zu dokumentieren und zu verbuchen. Anhand dieser Aufzeichnungen entstehend dann in aggregierter Form die Bilanzen, Erfolgsrechnungen und Geldflussrechnungen wie wir Sie von der finanziellen Berichterstattung von privaten oder börsenkotierten Unternehmen kennen.
Die Aufgabe der Wirtschaftsprüfer ist es diese finanzielle Berichterstattung unabhängig und objektiv zu überprüfen. Dabei kann sich der Wirtschaftsprüfer aber nicht jeden einzelnen Geschäftsvorfall, der in der Buchhaltung verbucht ist, anschauen. Anhand einer Risikobeurteilung prüft der Wirtschaftsprüfer gezielt gewisse Belege und Transaktionen und beurteilt Schätzungen und Annahmen, die für eine Abschlusserstellung notwendig sind.
Im Gegensatz zur früher werden heute verschiedenste Auswertungen und Analysen durch Software unterstützt, so dass selbst sehr grosse Datenmengen analysiert und auf Unregelmässigkeiten durchsucht werden können.
Das Ziel einer Revision ist es, eine hinreichende Sicherheit zu erlangen, dass die finanzielle Berichterstattung frei von wesentlichen falschen Darstellungen ist. Eine hinreichende Sicherheit ist ein hohes Mass an Sicherheit, aber keine Garantie, dass wesentliche Falschdarstellungen stets aufgedeckt und korrigiert werden.
Abb. 4: «Buchhalter Nötzli», Lustspiel vom 26.11.1985 im Tellspielhaus in Altdorf.
Bild: zVg.
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Lars Rominger
Was beschäftigt deine Branche aktuell am meisten?
Edgar Christen:
Die finanzielle Berichterstattung ist ja eigentlich eine Geschichtsschreibung, also eine Aufzeichnung vergangener Geschäftsvorfälle, die in der heutigen schnelllebigen Zeit kaum mehr interessiert. Viel spannender ist doch was in der Zukunft passiert und wie eine Unternehmung aktuell unterwegs ist im Vergleich zu ihren eigenen Plänen und Budgets. Deshalb sind an den Generalversammlungen jeweils der aktuelle Geschäftsverlauf und der Ausblick auf die nächsten Monate viel spannender als die Vergangenheitszahlen.
Aktuell nehmen aber Themen der Nachhaltigkeit und sozialen Verantwortung von Unternehmen mehr und mehr Platz ein. Da kommen dann Begriffe wie CSR – Corporate Social Responsibility oder ESG – Environmental Social and Governance ins Spiel. Dabei geht darum, wie gut Unternehmen in Bezug auf Umweltbelange abschneiden, zum Beispiel Energieverbrauch, CO2-Ausstoss, Nutzung erneuerbarer Energien, Umgang mit Abfällen oder Auswirkungen auf Wasser und Luft. Beim Sozialen geht es um Mitarbeiterrechte, Chancengleichheit, Gesundheit oder Arbeitsbedingungen und bei Governance stehen Unabhängigkeit der Entscheidungsträger, Transparenz von Unternehmensentscheidungen, Vermeidung von Interessenskonflikten und so weiter im Fokus.
Das ist alles zunehmend relevant und von Interesse für Stakeholders, wie Aktionäre, Banken, Investoren, Mitarbeitende und die Öffentlichkeit. Vor allem das ESG Reporting wird auch vermehrt von externer Seite, also von Wirtschaftsprüfern, auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft.
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Lars Rominger:
Welches Buch liest Du momentan?
Edgar Christen:
Aktuell lese ich zwei ganz unterschiedliche Bücher.
Das eine – eher bedrückende – ist von Bryan Stevenson und heisst «Ohne Gnade». Es handelt von der Polizeigewalt und Willkür der Justiz vor allem gegen minderjährige und jugendliche Schwarze in den USA.
Das andere ist «Die Boomjahre» von Gianni Bomio über die Wirtschaft und Wirtschaftspolitik im Kanton Zug von 1985-2020.
Letzteres eignet sich allerdings weniger als «Bettlektüre» – nur schon wegen der Grösse und des Gewichts!
Abb. 5: Bryan Stevenson. Ohne Gnade. Polizeigewalt und Justizwillkür in den USA. Verlag Piper. ISBN 978-3-492-31003-1
Abb. 6: Gianni Bomio. Boomjahre. Wirtschaft und Wirtschaftspolitik im Kanton Zug 1985 bis 2020. Verlag Kalt Medien. ISBN/GTIN 978-3-85761-340-1
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Lars Rominger:
Welches Zitat, Botschaft oder Lebensmotto möchtest Du uns auf den Weg geben?
Edgar Christen:
«Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.» – Albert Einstein
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Herzlichen Dank für das höchst lehrreiche und finanzstarke Gespräch!
Lars Rominger im August 2023
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