Herr der Pharmazie! Hochinteressantes, aseptisches Interview mit dem überzeugenden Dr. Frank Stieneker, Pharmazeut und Qualified Person.

Herr der Pharmazie! Hochinteressantes, aseptisches Interview mit dem überzeugenden Dr. Frank Stieneker, Pharmazeut und Qualified Person.

Dr. Frank Stieneker

Pharmazeut und Qualified Person*.
Branche: Pharmazie
*Als Qualified Person (QP), übersetzt sachkundige Person oder qualifizierte Person, werden im Bereich der Arzneimittel oder der Medizinprodukte verantwortlich benannte Personen bezeichnet, die durch ihre Ausbildung, spezifische Berufserfahrung, Zuverlässigkeit und Anerkennung bei den zuständigen Überwachungsbehörden dazu befähigt und befugt sind, im jeweiligen Gesetz vorgeschriebene Funktionen wahrzunehmen. Quelle: Wikipedia

Frank und ich kennen uns bereits über 20 Jahre. Seine Industrie-Beratungen sind phänomenal.
Seine Prozess-Lösungen sind stets clever, zu Ende gedacht, effizient, funktional und gleichzeitig kostengünstig. Eine sehr hohe Kunst. Frank beherrscht sie – und wie!
Franks Publikationen (Peer-reviewed), Bücherliste, Projekte, Lehrtätigkeiten an Universitäten, Firmengründungen etc. hier zu listen und kommentieren, würde den Rahmen dieses Interviews bei weitem sprengen. Doch gottlob gibt es ja dafür u.a. Dr. Google. Mehr Infos zu Dr. Frank Stieneker: https://www.linkedin.com/in/stieneker/

Besonders stolz bin ich auf unsere gemeinsame Publikation zum Thema «Endotoxine».
Ref.: Stieneker, F. Rominger, L., Endotoxine – die unterschätzte Gefahr, Swiss Med 26 (10), 14-15 (2004).
Link zur Publikation.

Es freut mich nun sehr, dass ich mit dem ausgewiesenen Kenner der Pharmabranche ein Interview führen kann.


Abb. 1: Mutschler Arzneimittelwirkungen versus Saechtling Kunststoff Taschenbuch. Welches Buch ist wirksamer?
Der sympathische Pharmaprofi Dr. Frank Stieneker im Gespräch mit Lars Rominger in Edlibach (ZG). Schweiz.

 

Interview

____________________________________________

Lars Rominger:
Hast Du Dich heute schon um den Zustand der Welt gesorgt?

Frank Stieneker:
Ja. Der Blick in die Ukraine, nach Israel und andere Brennpunkte auf der Welt kann nur voller Sorge sein, denn niemand weiss, wie es weitergeht. Die Radikalisierung weltweit nimmt zu und das sehe ich mit größten Bedenken.

Unsere Generation ist in einem friedlichen Umfeld gross geworden und hat recht sorgenfrei gelebt. Wir haben vergessen, was Krieg bedeutet und haben vergessen, dass Frieden kein Selbstläufer ist, sondern verteidigt werden muss. Diese Verteidigung haben wir nach dem Ende des kalten Krieges sträflich vernachlässigt, was sich jetzt rächt. Wir haben uns in Abhängigkeiten begeben und dem Ausverkauf unserer Wirtschaft zugestimmt. Ich möchte da als Beispiele nur Energie und Pharma ansprechen.

Im Bereich Pharma haben wir uns bei vielen kostengünstigen Arzneimitteln in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von Indien und China begeben, die durch Festbeträge und Rabattverträgen unter dem Diktat der gesetzlichen Krankenversicherung immer weiter verstärkt wurde. Aber selbst Indien und China können zu den Bedingungen der GKV nicht mehr liefern und verkaufen dort, wo die Preise höher sind. Wir sollten auch nicht vergessen, dass der deutsche Staat mit Abstand am meisten an jedem Arzneimittel verdient: Er bekommt 19 % Mehrwertsteuer, was im Vergleich mit Nachbarländern ungewöhnlich ist. Fast überall auf der Welt gibt es auf Arzneimittel einen ermäßigten Satz oder keine Mehrwertsteuer, um der Bevölkerung einen möglichst kostengünstigen Zugang zu Arzneimitteln zu ermöglichen.

____________________________________________


Abb. 2: Eine kleine Auswahl der vielen Buchpublikationen von Frank Stieneker.
Lexikon der Pharmatechnologie I Schutz vor Arzneimittelfälschungen I Operational Excellence in the Pharmaceutical Industry I Pharmazeutische Packmittel.

____________________________________________

Lars Rominger:
Wie nützlich waren Deine universitären Abschlüsse für Deine berufliche Laufbahn, insbesondere auch hinsichtlich Deiner vielen Firmengründungen?
(Als Dozent interessiert mich dies natürlich ganz besonders.)


Frank Stieneker:
Ganz ehrlich: Ein Uniabschluss kann Erfahrung, Ideen und unternehmerisches Denken nicht ersetzen. Ein Uniabschluss kann aber helfen, Zusammenhänge besser zu verstehen. Letztlich muss man mit Spaß an der Herausforderung Ziele verfolgen und etwas bewegen wollen. Was noch wichtiger ist, man muss Chancen erkennen und ergreifen. Ich bin in der Vergangenheit mehrfach von ehemaligen Studenten gefragt worden, wie ich meine berufliche Entwicklung geplant habe. Die Antwort ist einfach: Das lässt sich nicht planen, man braucht eine Portion Glück und muss im richtigen Moment ja sagen.

____________________________________________


Abb. 3: «Innovative Therapien müssen für jeden erreichbar sein. Es darf nicht sein, dass aus Kostengründen Therapien abhängig vom Geldbeutel zugänglich gemacht werden. Das zerstört den gesellschaftlichen Zusammenhalt und führt zu Radikalisierung – womit wir wieder bei Sorge um den Zustand der Welt sind.»
(Dr. Frank Stieneker, Pharmazeut und Qualified Person)
Bild: zVg.

____________________________________________

Lars Rominger
Du hast sehr viele Bücher geschrieben, viele Unternehmen gegründet, an Universitäten gelehrt, viele komplexe Projekte durchgezogen etc. Kurzum: Dein Palmarès ist sehr beeindruckend, doch wie ist dies alles möglich bzw. stemmbar?
Mein erster spontane Gedanke war, dass Du womöglich einen der letzten verfügbaren Fluxkompensatoren (vgl. bitte Abb. 4) ergattern konntest, doch dann besann ich mich, dass Du mit Deinem Background vielleicht auch eine entsprechende Arznei synthetisiert hast, die Superkräfte freisetzt usw.
Spass beiseite.
Verrätst Du uns Dein Geheimnis?

Frank Stieneker:
Mein Geheimnis ist keines. Ich bin jetzt seit fast 40 Jahren Apotheker und seit dieser Zeit in Wissenschaft, Behörde oder Pharmaindustrie tätig. In 40 Jahren lässt sich Vieles bewegen, wenn man Ideen, gute Mitstreiter, Kontakte und ein Netzwerk hat.

Gerade in Forschung und Entwicklung ist ein gutes internationales Netzwerk unabdingbar. Den Universalgelehrten gibt es nicht mehr, deshalb ist man immer auf die Unterstützung von Spezialisten angewiesen. In meinen Arbeitsgebieten ist es sehr hilfreich Apotheker zu sein, denn ein Apotheker hat eine Ausbildung z. B. in Chemie, Biologie, Physiologie, kann aber nicht mit Chemikern und den Fachleuten in anderen Gebieten konkurrieren – aber der Vorteil ist, dass der Apotheker die Fachleute versteht.

____________________________________________


Abb. 4: Der Fluxkompensator wurde von Dr. “Doc” Emmett L. Brown (Back to the Future) erfunden.
Mehr Infos zum Fluxkompensator (Link)

____________________________________________

Lars Rominger
Was würdest Du als Deinen grössten persönlichen Erfolg bezeichnen?

Frank Stieneker:
Da möchte ich differenzieren. Privat ist es meine Beziehung zu Birgit. Wir sind seit 41 Jahren zusammen und ich habe es nie anders gewollt. Ich glaube und hoffe, dass Birgit der gleichen Meinung ist.

Beruflich waren meine Jahre im Bereich Cell & Gene Therapy für mich persönlich etwas Besonderes, denn hier hat sich ein Kreis geschlossen. Ich habe seit 1985 im Gebiet nanopartikuläre Systeme und Impfstoffe gearbeitet, habe ab 1990 die ersten permanent positiv geladenen Nanopartikel für die Transfektion von Zellen mit genetischem Material hergestellt und in den letzten Jahren als CSO zusammen mit der leon-nanodrugs GmbH eine disruptive Technologie zur Verbesserung und Kommerzialisierung von Cell & Gene Therapy entwickelt. Durch die Entwicklung eines neuen Reaktors, der Scherkräfte auf das genetische Material vermeidet, kann die Produktivität bei der Herstellung von prophylaktischen Impfstoffen wie gegen Covid-19 um Dimensionen gesteigert werden. Viel wichtiger ist aber die Herstellung von personalisierter Medizin zur Therapie von Tumoren, Stoffwechselerkrankungen und Gendefekten als kontinuierliche Produktion nach den Prinzipien von Single Piece Flow und Pull Production. Hier werden wir auf den Gebieten von therapeutischer Vakzinierung und CAR-T-Cell Therapie deutliche Fortschritte hinsichtlich Effizienz und Kostenreduktion sehen.

Innovative Therapien müssen für jeden erreichbar sein. Es darf nicht sein, dass aus Kostengründen Therapien abhängig vom Geldbeutel zugänglich gemacht werden. Das zerstört den gesellschaftlichen Zusammenhalt und führt zu Radikalisierung – womit wir wieder bei Sorge um den Zustand der Welt sind.

____________________________________________

Lars Rominger:
Welches Buch liest Du momentan?

Frank Stieneker:
Wieder einmal «Dune – der Wüstenplanet» von Frank Herbert. Die gesamte Reihe ist faszinierend geschrieben und um Dimensionen besser als alle Versuche, dieses Werk auf die Filmleinwand zu bringen. Ich habe den ersten Band der Reihe vor 43 Jahren in der englischen Originalausgabe gelesen – seitdem war ich Frank Herbert verfallen.


Abb. 5: Frank Herbert’s Dune Saga 6 Bücher im Schuber

Titel: Frank Herbert’s Dune Saga 6-Book Boxed Set
Dune, Dune Messiah, Children of Dune, God Emperor of Dune, Heretics of Dune, and Chapterhouse: Dune
Autor: Frank Herbert
Verlag: Random House N.Y.
Sprache: Englisch
ISBN: 978-0-593-20188-6

____________________________________________


Abb. 6: Frank war übernatürlich schnell in Edlibach. Fluxkompensator** oder war es gar auf Warp-Antrieb zurückzuführen***?
Nein, Frank bewerkstelligte es mit seinen 10 Zylindern. Auf die Dauer hilft nur Power.
**Der Fluxkompensator wurde von Dr. “Doc” Emmett L. Brown (Back to the Future) erfunden.
***Warp-Antrieb: Hypothetischer Antriebsmechanismus, der Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit durch gezieltes Krümmen der Raumzeit ermöglicht.

____________________________________________

Lars Rominger:
Welches Zitat, Botschaft oder Lebensmotto möchtest Du uns auf den Weg geben?

Frank Stieneker:
Gehe auch einmal ein Wagnis ein, denn wenn Du scheiterst, kannst Du daraus lernen und Dir sagen, ich habe es aber versucht. Wenn es Dir gelingt, freue Dich am Erfolg.

Die Botschaft ist sehr einfach: Wir sollten in Europa ein Scheitern nicht als Katastrophe verstehen, sondern als Erkenntnisgewinn. Diejenigen, die gescheitert sind, haben etwas versucht und bewegt, diejenigen, die auf 100%ige Sicherheit setzen, bewegen nichts und stehen dem Fortschritt im Weg. Ich möchte hier aber nicht falsch verstanden werden: Hasardeure bringen uns sicherlich nicht weiter!

Erfolg und Fortschritt bedingen immer ein gewisses Risiko, welches in gesunder Relation zum erwarteten Ergebnis stehen sollte. Das ist bei Arzneimitteln ähnlich: Es gibt kein Arzneimittel ohne Nebenwirkungen, nur müssen die Nebenwirkungen gemessen an der Schwere der Erkrankung und dem erwünschten Therapieerfolg in einer angemessenen Relation stehen. Deshalb müssen Arzneimittel wirksam und unbedenklich sein.

____________________________________________

Herzlichen Dank für das höchst lehrreiche Gespräch!

Lars Rominger im Dezember 2023

No Comments

Post A Comment