28 Aug Inspirierender, zukunftsgerichteter Bildungs- und Innovations – Talk mit Alt-Rektor Beat Wenger
Beat Wenger
Alt-Rektor der GIBZ Gewerblich-industrielles Bildungszentrum Zug.
Seit Sommer 2021 im Ruhestand.
Prolog
Beat Wenger leistete als Rektor an der GIBZ eine ausgezeichnete und wegweisende Arbeit und Pionierleistung. In der Zusammenarbeit erlebe ich Beat Wenger als sehr innovativ, proaktiv vorwärtsgehend und gleichzeitig klar strukturiert. Seine innovativen Konzepte sind stringent fertig gedacht. Ganz hohe Schule! U.a. im Innovations-Blog der zentralplus durfte ich über einige seiner hervorragenden und beeindruckenden Projekte berichten.
Vgl. bitte nachfolgender Link: https://www.zentralplus.ch/blogs/innovations-blog/
Ich freue mich deswegen sehr auf den zukunftsgerichteten Bildungs- und Innovations-Talk mit Beat.
Abb. 1: Beat Wenger hielt im Winter 2021/22 ein überzeugendes und spannendes Referat zum Thema “Wirksamkeit des lebenslangen Lernens vor dem Hintergrund fundamentaler Veränderung in der Arbeitswelt; in der Beschäftigung von Menschen.”
Abb. 2: Im Bildungs- und Innovations – Talk im August 2022 mit Beat Wenger im Erfinderhaus Café Treichler in Zug mit zwei Bücher (Lehrmittel und Innovation) die wohl auch noch in 20 Jahren Relevanz haben werden.
a) Lehrmittel: Prof. Wolfgang Kaiser. Kunststoffchemie für Ingenieure. Hanser Verlag.
b) Innovation: Dr. Birgit Lutzer, Angelika Howind. Kommunikation und Marketing für Technik – Innovationen. Verlag Springer Gabler.
Interview
Lars Rominger:
Gelingt es Dir, Deinen Werdegang in drei Sätzen zu beschreiben?
Beat Wenger:
Im Laufe meines Werdeganges habe ich oft die Möglichkeit gehabt, visionäres und kreatives Denken entfalten zu dürfen. Dies verbunden mit dem Glauben an die Realisierbarkeit von Innovationen. Entsprechend standen der Überzeugungswille und das Beharrungsvermögen im Zentrum.
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Lars Rominger:
Hast Du Dich heute schon um den (Bildungs-) Zustand der Welt gesorgt?
Beat Wenger:
Es beschäftigt mich in der Tat sehr, dass bei vielen guten Bildungssystemen in der Welt die Fähigkeit des Verständnisses für Zusammenhänge unterschiedlich entwickelt sind. Dies erschwert generell die Erschliessung von objektiven Erkenntnissen und führt zu grossen Komplexitätsfragen, die nahezu als unlösbar erscheinen.
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Lars Rominger:
Kannst Du uns ein Projekt aus Deiner Zeit als Alt-Rektor des GIBZ schildern, dass aus Deiner Sicht am meisten Wertschöpfung und Nachhaltigkeit für das GIBZ generierte?
Beat Wenger:
Das Berufsbildungsgesetz hat ab 2004 die Möglichkeit eingeführt, eidgenössische Berufsabschlüsse über ein non-formales Qualifizierungsverfahren zu erreichen. Wer über die nötige berufliche Handlungskompetenz verfügt, kann einen Titel erwerben – auch ohne einen bestimmten Lehrgang absolviert zu haben. Dies bedingt ein innovatives Verfahren, in dem diese Kompetenz nachgewiesen, überprüft und national zertifiziert werden kann: die Validierung von Bildungsleistungen. Am GIBZ durften wir ab 2006 für die Arbeitsgebiete im Gesundheitswesen und in der Gastronomie je ein Verfahren zur Validierung von Bildungsleistungen entwickeln, das heute noch in vollständiger Ausprägung praktiziert wird.
Vgl. bitte dazu auch den Artikel: „Fage à la carte“ führt zum eidg. Fähigkeitszeugnis. Neue Ausbildung für Pflegekräfte ohne Berufsabschluss.
https://www.zentralplus.ch/blog/innovations-blog/neue-ausbildung-fuer-pflegekraefte-ohne-berufsabschluss/
Abb. 3: Sandra Rust ist eine der zehn Lernenden im Pilotlehrgang des Projektes.
Quelle: zentralplus. Innovations-Blog. „Fage à la carte“ führt zum eidg. Fähigkeitszeugnis. Neue Ausbildung für Pflegekräfte ohne Berufsabschluss.
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Lars Rominger:
Welche Erfindung hat Dich bisher am meisten beeindruckt und weshalb?
Beat Wenger:
Die Swatch Uhr, welche am 1. März 1983 in Zürich lanciert wurde. Zuvor wurde diese Uhr 1980 von zwei innovativen Ingenieuren (Elmar Mock und Jacques Müller) mit Unterstützung von Nicolas G. Hayek und Ernst Thomke entwickelt. Es beeindruckt mich, wie fortan von den traditionell rund 120 Uhrenbestandteilen deren 60 gleich ins Uhrengehäuse eingegossen werden. Auf diese Weise können insbesondere die Waren- und Produktionskosten sensationell minimiert werden. Eine Philosophie, die noch heute aktuell ist, nämlich Produkte zu erschaffen, die grundsätzlich einfach, leicht, transparent, biologisch und ökonomisch intelligent sind.
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Lars Rominger:
Welche Erfindung sollte aus Deiner Sicht baldmöglichst umgesetzt oder zumindest ein «Concept of Proof» darüber gemacht werden?
Beat Wenger:
Nach dem Motto «Leistung zur richtigen Zeit soll freier und kreativer machen» einen neuen Weg gehen, der die Möglichkeit schafft, Menschen, Arbeit und Arbeitszeit neu zu definieren. Arbeit heisst heute präsent zu sein, in einer vorgeschriebenen Zeitspanne, nämlich mit oder ohne Leistung. Weil die heutige Marktwirtschaft zu viele solche Arbeitnehmenden geschaffen hat, die grösstenteils Befehlsempfangende ohne jegliche Chance zur Selbstgestaltung sind, sollten diese allmählich von Arbeitenden zu Mitunternehmenden umqualifiziert werden. So würden diese Mitunternehmenden fortan ihre Arbeit und Freizeit selbst gestalten; selbst entscheiden, wie viel sie verdienen möchten; schneiden das Band der Arbeit und Freizeit nach ihren Bedürfnissen zu; antizipieren ihre Lebenszeit.
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Lars Rominger:
So wie ich Dich kenne, arbeitest Du mit Hochdruck bereits wieder an neuen Projekten.
Kannst Du uns über eines Deiner Projekte kurz berichten?
Beat Wenger:
Gegenwärtig bin ich daran, mit einem kleinen Team ein web-basiertes Jobmeet-Portal zu entwickeln. Dies vor dem Hintergrund des aktuellen Fachkräftemangels und der effizienten Erschliessung von non-formalen Kompetenzen bei Arbeitnehmenden, die allzu oft brachliegen. Wer also als Betrieb einen Job anbietet, erklärt sich bereit, der jobsuchenden Person als Arbeitnehmende nach einer zu vereinbarenden Frist eine Beurteilung ihrer non-formalen Fähigkeiten auszustellen. Die Inhalte zur Beurteilung werden von einer Stiftung, welche in Verbindung mit Berufsverbänden steht, zur Verfügung gestellt und verarbeitet. Jede jobsuchende Person, die von Jobmeet vermittelt wurde und in einem dort akkreditierten Betrieb mitarbeitet, hat Gewähr, ihre persönlichen Kompetenzen während der Arbeit zu erweitern und attestieren zu lassen, um sich so auf dem Arbeitsmarkt optimal zu präsentieren.
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Lars Rominger:
Wie sieht Deine Fachexpertise hinsichtlich Fachkräftemangel aus und was für konkrete Lösungsansätze gibt es aus Deiner Sicht, um diesem Trend ursächlich und nachhaltig entgegenzuwirken?
Beat Wenger:
Bisherige Denkraster in der Arbeitswelt in dynamische Denksysteme umgestalten. Das heisst, dass Arbeitnehmende vermehrt in ihren Arbeitsfeldern nicht als Befehlsempfangende, sondern als Mitunternehmende tätig sein können. So könnten Arbeitsfelder in einzelne Arbeitspakete aufgeteilt, ausgeschrieben und mit Preis und Zeit definiert werden.
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Lars Rominger:
Welches Buch liest Du momentan und weshalb?
Beat Wenger:
Aktuell lese ich «Eine kurze Geschichte der Menschheit» von Yuval Noah Harari. Das Buch handelt von historischen Ereignissen der Menschheit, verbunden mit unkonventionellen Interpretationen eines Universalhistorikers und mit der Macht von Ideen.
Abb. 4: Beat Wenger brachte noch ein weiteres Buch mit in den Talk: Fredmund Malik „Navigieren in Zeiten des Umbruchs.
Ein weiteres Buch, dass auch noch in 20 Jahren Relevanz haben wird. Verlag Campus.
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Lars Rominger:
Welche Frage würdest Du noch gerne beantworten?
Beat Wenger:
Gerne würde ich mich selbst noch folgendes fragen:
Was heisst eigentlich innovatives Denken und Handeln?
Antwort von Beat Wenger:
Vor allem wenig Material – wenig Teile – gleiche Form; mehrere Varianten – umweltfreundliche, trennbare, recyclierbare Materialien – hohe Identität ins Zentrum stellen.
Abb. 5: Beat Wenger wird für sein ausgezeichnetes Referat zum Thema “Wirksamkeit des lebenslangen Lernens vor dem Hintergrund fundamentaler Veränderung in der Arbeitswelt; in der Beschäftigung von Menschen” entsprechend „beweint“. Winter 2021/22.
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Schliessen möchte ich mit 3 Zitaten zu Bildung, Innovation und Zukunft.
Alles Grosse bildet, sobald wir es gewahr werden. – Goethe
Innovation ist, wenn der Markt «Hurra» schreit. – Unbekannt
Innovationen geben der Zukunft eine Zukunft. – Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger
Herzlichen Dank für das aufschlussreiche, hochinnovative und zukunftsgerichtete Gespräch!
Lars Rominger im Sommer 2022
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